„Für einen echten Durchbruch müssen wir Angebote noch weiterentwickeln und ggf. Kontomodelle anpassen, um Kunden mit Einzelbepreisung nicht abzuschrecken.“
C+Pspektrum hat nachgefragt – wir antworten. Interview mit Andre Standke zur strategischen Bedeutung von Mobile Payment für die Banken, der Bedeutung der Kundenbeziehung und europäische Initiativen.
Andre Standke, glauben Sie, dass COVID-19 den Durchbruch für Mobile Payment gebracht hat?
Bezahlen mit Bargeld ist historisch gewachsen und lässt sich allein durch Akzeptanzausweitung nicht ändern. Kunden brauchten einen Grund für eine Verhaltensänderung – den hat COVID-19 geliefert. Hygienebewusstsein und Respekt vor dem Kassenpersonal haben Kontaktloszahlungen gepusht, verstärkt durch Hinweise der Händler an der Kasse. Die Argumente für Bargeld waren Convenience und Kostenkontrolle, vor allem für kleine Beträge. Ich glaube, die größte Hürde ist die erste Zahlung. Kunden, die einmal mobil gezahlt haben, erkennen schnell die Vorteile von Face-ID und Push-Belegen. Für einen echten Durchbruch müssen wir aber Angebote noch weiterentwickeln und ggf. Kontomodelle anpassen, um Kunden mit Einzelbepreisung nicht abzuschrecken.
Wie beurteilen Sie das Angebot der Genossenschaftlichen FinanzGruppe im Bereich Mobile Payment?
Am PoS und Online sind sie gut aufgestellt! Kunden zahlen im Geschäft mobil über die VR-Banking-App, Händler werden mit fixen oder mobilen Terminals ausgestattet. Insbesondere kleine Händler profitieren von transparenten Preismodellen für den schnellen Start. Aber aktuell setzt Apple Pay, noch vor Google Pay, die Benchmarks für einfache Bedienung und vollständige Integration und ist wichtig für das Image der Genossenschaftsbanken als moderne und junge Banken. Die Einbindung der girocard in Apple Pay wäre meines Erachtens der nächste Schritt, um Kunden größtmögliche Flexibilität zu bieten. Die virtuelle Mastercard Debitkarte kann dies nur bedingt, da die Antragstellung für Kunden eine zusätzliche Hürde darstellt.
Welche nächsten Entwicklungen sehen Sie und wie sollten Genossenschaftsbanken darauf reagieren?
Die Trennung der realen und virtuellen Welt gibt es nur noch im Zahlungssystem. Aber die Welt ist nicht mehr schwarz-weiß. Kunden denken kanalübergreifend und brauchen ein Zahlungsinstrument, das in allen Bezahlsituationen gleich erlebt wird. Apple Pay und Alipay zeigen uns, wie dies erfolgreich umgesetzt werden kann. Um gemeinschaftlich in Deutschland und Europa dieser „Vormachtstellung“ entgegenzutreten, wurden #DK und EPI gegründet. Das Girokonto bei der Hausbank soll die „natürliche Heimat des Geldes“ bleiben, ergänzt durch ein Bündel von Bezahlsystemen über alle Kanäle und Use Cases. Die Herausforderung für die Genossenschaftliche FinanzGruppe wird sein, die Kundenbeziehung über das Girokonto zu verankern, mit eigenen Angeboten zu verstärken und gleichzeitig international sinnvolle Kooperationen einzugehen. Es gilt, sich am Erfolgsrezept der Plattformen zu orientieren, in arbeitsteiligen Prozessen zu denken und Leistungen zu bündeln, die nicht alle selbst entwickelt oder erbracht werden.
Was raten Sie Genossenschaftsbanken, um den Markt nicht den Wettbewerbern zu überlassen?
Transparenz wird mit der Zunahme von Mikro-Services immer wichtiger. Kunden brauchen ein einheitliches Frontend für alle Verbund-Angebote mit gleichen Credentials für einen ganzheitlichen Finanzüberblick, z. B. Netflix-Subscriptions mit Abbuchungserinnerung via Token. Ich würde Genossenschaftsbanken raten, Kundendaten als Identität zu nutzen und die Kundenbeziehung um den mobilen Kanal herum zu steuern – und so das Bezahlen erlebbar zu machen.
Durch die Pandemie haben Kunden „Social“ und „Local“ neu entdeckt und wollen kleine Händler unterstützen. Die Genossenschaftsbanken sind starke Partner vor Ort und können im Rahmen smarter Ökosysteme Privat- und Firmenkunden zusammenbringen und attraktive Nutzererlebnisse schaffen. Auch Umsetzung und Vermarktung lassen sich lokal schneller vorantreiben und günstiger umsetzen.
Glauben Sie, dass Genossenschaftsbanken durch EPI an Bedeutung verlieren?
Europäische Initiativen sind wichtig für den Wirtschaftsstandort Europa und bieten uns die Chance, selbstständig zu werden. Wir haben auch in Europa tolle Ideen und wir haben erfolgreiche Unternehmen, um diese umzusetzen. Ereignisse der jüngsten Vergangenheit haben ja gezeigt, dass Abhängigkeiten zu einzelnen Anbietern in monopolähnlicher Stellung schnell zu Schwierigkeiten führen können – besonders wenn nationale Regierungen bezüglich wirtschaftlicher Interessen agieren.
Vielen Dank an den BVR für das Interview.
Erschienen im C+Pspektrum – Ausgabe 30/ November 2020