Konvergenz Debitkarte Kreditkarte in Deutschland

Verändertes Portfolio-Management der Banken und die Auswirkungen auf Kunden und Händler

Kartenzahlung ist „in“. Die strategische Akzeptanzausweitung bargeldloser Zahlung am POS, verbunden mit einer Verhaltensänderung der Konsumenten und Händler in den Pandemiemonaten, hat dafür gesorgt, dass inzwischen auch kleine Beträge häufiger mit der Karte oder dem Smartphone gezahlt werden. Während aber in den vergangenen Monaten die reale und virtuelle Welt immer stärker miteinander verschmolzen sind, funktioniert das Kartensystem bislang noch eher schwarz-weiß: am POS dominiert die girocard, für Online-Zahlungen oder bei Auslandsreisen die Kreditkarte. Aktuell nehmen immer mehr Banken die Debitkarten von Visa und Mastercard in ihr Portfolio auf. Nicht mehr nur Challenger-Banken, sondern auch Direkt- und Filialbanken geben die „neue“ Debitkarte parallel oder statt der girocard aus. Damit bieten sie Kunden eine Karte, die durch die direkte Abbuchung vom Girokonto volle Kostenkontrolle bietet, gleichzeitig aber auch bequem im Online-Handel genutzt werden kann. Die Konvergenz von Debitkarte und Kreditkarte ist damit in vollem Gange.

Ist die neue Debitkarte damit das „ideale“ Zahlungsinstrument? Könnte die Debitkarte künftig die Kreditkarte – und auch die girocard – komplett ersetzen? Was bedeutet die Annäherung beider Karten für Händler? Wir haben uns diese Entwicklung näher angesehen und betrachten die Auswirkungen für Kunden, Banken und Händler.

 

Bequemlichkeit und Kostenkontrolle für den Kunden

Die girocard als klassische Debitkarte bietet dem Kunden in erster Linie Transparenz und gefühlte Kontrolle über Ausgaben. Insbesondere in Deutschland möchte der Kunde wissen, „was er noch hat“ und schätzt die sofortige Abbuchung und direkte Verrechnung mit dem Girokonto. Durch die Pandemie haben Kunden nun auch den (kontaktlosen) Einsatz der girocard am POS neu für sich entdeckt.

Gleichzeitig spielt aber auch Bequemlichkeit eine große Rolle bei der Wahl des Zahlungsmittels. Kunden denken kanalübergreifend und wünschen sich ein Zahlungsinstrument, das in allen Bezahlsituationen gleich erlebt wird. Die girocard ist hier nur bedingt geeignet, da sie z.B. im E-Commerce eher über Umwege einsetzbar ist. Die Kreditkarte bietet hier zusätzliche Flexibilität, setzt aber die Bonität des Kunden voraus. Einen Workaround bietet die Prepaid Kreditkarte auf Guthabenbasis, die insbesondere auch für junge oder bonitätsschwache Kunden geeignet ist.

Aber warum braucht der Kunde überhaupt mehrere Karten? Genau hier setzten Visa und Mastercard mit ihrer Debitkartenstrategie an und verschmelzen die Merkmale der Debit- und Kreditkarte. Der Kunde kann mit nur einer Karte am POS und Online zahlen und die Karte auf Wunsch auch in mobile Wallets integrieren. Die Vorteile der direkten Abbuchung vom Konto und damit verbundenen Kostenkontrolle werden mit der kanalübergreifenden Verwendung kombiniert. Die Debitkarte erfüllt somit die Bedürfnisse nach Bequemlichkeit und Transparenz gleichermaßen.

Insbesondere für junge, mobile und digitalaffine Kunden ist die Einsetzbarkeit der Karte in allen Kanälen, inkl. Integration in Apple Pay, Google Pay usw., häufig ein ausschlaggebendes Kriterium bei der Wahl des Kontos. So bietet die Debitkarte insbesondere für Fintechs eine simple Lösung ohne das Risikomanagement, das die Kreditkarte erfordert, und hat sich bei quasi allen Neobanken wie n26 oder Tomorrow zum Standard etabliert. Die Verknüpfung mit guten Loyalty- und Chargeback-Programmen, wie z.B. provisionsfreie Aktien-Investments und einfaches Cashback bei Vivid oder Kundenbindung über Klimaschutz bei Tomorrow, incentiviert insbesondere das alltägliche Bezahlen von Kleinbeträgen.

 

Konvergenz von Debitkarte und Kreditkarte als Herausforderung für das Portfolio-Management der Banken

Während zunächst primär Fintechs auf die neue Debitkarte setzten, haben inzwischen u.a. mit den Sparkassen, der HVB oder der comdirect auch die ersten klassischen Direkt- und Filialbanken eine (zusätzliche) Debitkarte gelauncht. Die DKB steht offenbar kurz davor, viele weitere Banken arbeiten vermutlich bereits im Maschinenraum an eigenen Lösungen.

Aber wie fügt sich die Debitkarte in die Kartenportfolien der Banken ein? Für Fintechs ist die Antwort recht einfach: sie setzen i.d.R. auf die Debitkarte als einzige Karte und nehmen dabei in Kauf, dass Kunden bei der Bargeldversorgung am Automaten oft Abstriche machen müssen. Bei klassischen Direktbanken und Filialbanken sind die Möglichkeiten jedoch deutlich vielfältiger, was die klare Positionierung der neuen Karte deutlich erschwert. Denn neben der kostenlosen girocard und einer meist bepreisten Kreditkarte sind Kunden tendenziell nicht gewillt, zusätzliche Gebühren für eine weitere Karte zu zahlen.

Kannibalisieren Banken damit ihre bestehenden Karten? Für Produktmanager wird es bei wachsender Konvergenz von Debitkarten und Kreditkarten sicherlich eine große Herausforderung, die neue Debitkarte so zu integrieren, dass keine der bestehenden Karten torpediert wird. Banken profitieren in jedem Fall von einer Kostensenkung und Effizienz, wenn sie ihr Portfolio komprimieren. Allerdings sind klassische Kreditkarten für Banken auch einer ihrer Erlöstreiber. Die comdirect hat sich aktuell dazu entschieden, die Visa Debitkarte als zusätzliche kostenlose Standardkarte im Kontopaket anzubieten. Einzelne Sparkassen geben bereits unter dem Motto „Best of both Worlds“ die neue Sparkassen-Card 2.0 heraus, eine mit Debit-Mastercard-Funktion aufgewertete girocard. Die HVB bietet die Visa Debitkarte alternativ zur maestro-girocard an. Bei der DKB soll die Visa Debitkarte sogar die Standardkarte werden und langfristig die giro- und Kreditkarte komplett ersetzen*.

Während sich die Debitkarte in ihrer Funktionalität damit immer mehr der Kreditkarte annähert, könnte letztlich Bargeldabhebung als entscheidendes Merkmal ausschlaggebend für die Zusammensetzung des Kartenportfolios werden. Für viele Kunden sind kostenlose Bargeldabhebungen mit der girocard selbstverständlich. Möchte man allerdings auf Auslandsreisen Bargeld abheben, so ist dies mit der girocard gar nicht, mit der Debitkarte und teilweise auch mit der Kreditkarte sogar kostenlos möglich. Der jeweilige Vorteil ist also individuell vom Verbraucherverhalten geprägt.

 

Kostenfaktor Debitkarte oder Kreditkarte für Händler

Die Zunahme bargeldloser Zahlungen am POS hat auch auf Händlerseite zur starken Ausweitung der Akzeptanzstellen geführt. Aufgrund der Interchange-Regulierung haben sich die Karten-Gebühren von Debitkarten und Kreditkarten zwar inzwischen angenähert. Dennoch besteht immer noch ein Unterschied in den Interchange-Gebühren zwischen 0,2 bei der Debitkarte und 0,3 bei der Kreditkarte. Die Frage ist, ob und wie sich die Gebühren verändern werden, sobald die neuen Debitkarten den Handel erreichen und eventuell sogar andere Karten ersetzen. Daneben muss hier auch die Rolle und Kostenstruktur der girocard weiter berücksichtigt werden, ebenso wie die Adaption auf Kundenseite, wenn die Debitkarte zunehmend ihren Platz in den Wallets einnimmt.

In der Schweiz regt sich auf der Händlerseite Widerstand gegen die Gebührengestaltung. Hier stellen Banken aktuell kontinuierlich ihre Portfolien von Interchange-freien maestro Karten auf gebührenpflichtige Debitkarten um. Insbesondere kleine und mittlere Händler befürchten nun steigende Kosten, insbesondere weil zusätzlich zu neuen Kunden auch die Anzahl der Transaktionen steigt, während gleichzeitig die Transaktionsbeträge immer kleiner werden. Entsprechend machen sie Druck beim Regulator, um eine neue Interchange-Regulierung zu erreichen. Die Frage ist, ob sie damit erfolgreich sind und wo ggf. die Gebühren gedeckelt werden. Grundsätzlich könnte es durchaus passieren, dass sie auf Null gesetzt werden.

Könnte dieses Beispiel auch in Deutschland Schule machen? Ganz sicher werden Händler die Entwicklungen in der Schweiz genau beobachten und ggf. auch hier aktiv werden. Sollten die Schweizer Händler erfolgreich sein und bei der Finma eine Vereinheitlichung aller Interchange Fees, also für alle Karten am POS, mobile oder online, oder gar eine Herabsetzung auf Null erreichen, so könnte eine ähnliche Diskussion auch hier gestartet werden.

Als weitere Maßnahme könnten Händler auch eigene Schemes entwickeln, welche bspw. auf Instant Payment basieren und statt Karte direkt auf mobile Endgeräte zur Datenübertragung zurückgreifen. Wenn Händler ihren Kunden darüber hinaus noch eigene digitale Bankkonten anbieten, könnten Kunden ohne Karte bezahlen. Eine Bank wäre im Szenario, welches z.B. Google aktuell in den USA verfolgt, nicht mehr notwendig. Google Pay bietet seinen Nutzern im kürzlich in Amerika gelaunchten Update ein umfassendes Finanzmanagement an und entwickelt sich damit vom reinen Bezahldienst hin zur Shopping- und Finanzplattform. Interessen in diesem Bereich bestehen somit nicht nur im Handel, sondern auch bei digitalen Playern, um die Mauern ihrer „Walled Gardens“ noch ein bisschen höher zu bauen.

 

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Wir sind sehr gespannt, wie andere Banken die Integration in ihr bestehendes Kartenportfolio vornehmen und die Konvergenz von Debitkarten und Kreditkarten vorantreiben. Die nächsten Monate werden hier ganz sicher weitere Spielarten zeigen. Für Kunden bietet die Debitkarte jetzt schon wesentliche Mehrwerte. Es bleibt allerdings zu abzuwarten, was passiert, wenn die girocard selbst internet-fähig wird und sich damit mehr den Merkmalen der Kreditkarte annähert.

Mit ihren für den Kunden sehr positiven Merkmalen ermöglicht die Debitkarte im deutschen Markt den Emittenten ein schnelles Wachstum im bisher durch die girocard dominierten Markt. Daher nutzen Banken jetzt die Chance, mit der neuen Debitkarte lukrative Business Cases umzusetzen. Was aber langfristig passiert, wenn die Förderungen von Visa und Mastercard auslaufen, ist momentan noch nicht abzusehen.

Die Entwicklungen im Payment-Markt lassen aktuell noch keine finale Einschätzung und Empfehlung für Banken zu. Während die MIF-Regulierung noch nicht abgeschlossen ist, die PSD3 vorbereitet wird und die Spielregeln durch die European Retail Payments Strategy neu aufgestellt werden, stehen die Marktteilnehmer allerdings unter starkem Handlungsdruck. Mit Blick auf den Kunden muss das primäre Ziel für Banken die Sicherung der Kundenschnittstelle sein. Dafür ist es unerlässlich, das Angebot – egal ob Debitkarten oder Kreditkarten – streng an den Kundenbedürfnissen auszurichten. Wir unterstützen Sie bei Ihrer Portfolio-Analyse und überprüfen gemeinsam mit Ihnen Handlungsoptionen für eine erfolgreiche Positionierung.

 

* DKB führt Visa-Debitkarte als neue Standardkarte ein

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